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Die geplante EU-Verordnung zum “Critical Medicines Act” aus vergaberechtlicher Sicht

EU plant “Europe First”-Strategie und Sicherung der Arzneimittelversorgung für kritische Arzneimittel – mit korrespondierenden Vergaberegeln

Mit dem „Critical Medicines Act“ hat die EU-Kommission einen Verordnungsvorschlag vorgelegt, der die Versorgungssicherheit für kritische Arzneimittel innerhalb der EU stärken soll. Mit relevanten vergaberechtlichen Implikationen: Denn künftig soll bei Beschaffung von Arzneimitteln ein deutlich stärkerer Fokus auf Nachhaltigkeit, Resilienz und europäische Produktionsstandorte gelegt werden.

Ausgangslage: Abhängigkeiten und Versorgungslücken

Rund 70 % der in Europa abgegebenen Medikamente sind Generika. Während Europa im Bereich hochkomplexer Arzneimittel und innovativer Forschung weiterhin führend ist, hat sich die Produktion von Wirkstoffen für Generika zunehmend nach Asien verlagert. Die Corona-Pandemie und aktuelle geopolitische Spannungen haben die Verwundbarkeit globaler Lieferketten und die daraus resultierenden Risiken für die EU offengelegt.

Vor diesem Hintergrund versucht die EU, die Versorgungssicherheit hinsichtlich kritischer Arzneimittel mit einer „Europe First“-Strategie zu erhöhen. Ziel ist es, die Abhängigkeit von Drittstaaten – insbesondere bei kritischen Arzneimitteln – zu reduzieren und gleichzeitig die Versorgungssicherheit sowie die öffentliche Gesundheit zu stärken. Die Einstufung als kritische Arzneimittel erfolgt nach Schwere der zu behandelnden Erkrankung sowie der Verfügbarkeit alternativer Medikamente (die aktuelle Liste kritischer Arzneimittel umfasst über 270 Wirkstoffe, beispielsweise Insuline, verschiedene Antibiotika, Impfstoffe, Schmerzmittel, Antidepressiva etc).

Vergaberechtliche Neuerungen im Fokus

Besonderes Augenmerk des Verordnungsentwurfs liegt auf der (öffentlichen) Beschaffung kritischer Arzneimittel. Öffentliche Auftraggeber werden verpflichtet, in Ausschreibungen über den reinen Preiswettbewerb hinauszugehen. Künftig sollen zwingend qualitative Kriterien im Sinne des Bestbieterprinzips berücksichtigt werden, um Resilienz, Versorgungssicherheit und europäische Wertschöpfung zu fördern bzw im Rahmen des Vergabeverfahren zu “belohnen”.

Die wichtigsten vergaberechtlichen Vorgaben im Überblick:

  • Verpflichtende Anwendung des Bestbieterprinzips (“MEAT-Kriterien”): Öffentliche Auftraggeber müssen Anforderungen wie Lagerhaltungspflichten, Lieferketten-Transparenz, Diversifikation der Lieferantenbasis sowie vertragliche Sanktionen bei Lieferverzögerungen in ihre Ausschreibungen (Zuschlagskriterien) integrieren.
  • Bevorzugung europäischer Hersteller bei nachgewiesenen Abhängigkeiten: Wo eine durch Vulnerabilitätsanalysen bestätigte Abhängigkeit von einzelnen Drittstaaten besteht, sollen öffentliche Auftraggeber Anforderungen vorsehen, die Anbieter bevorzugen, die einen wesentlichen Teil der Produktion innerhalb der EU vorhalten.
  • Erweiterte Anwendung auch für andere Arzneimittel: Auch bei nicht als kritisch eingestuften Arzneimitteln von allgemeinem Interesse können – sofern durch Marktanalysen und gesundheitspolitische Erwägungen gerechtfertigt – entsprechende Kriterien angewandt werden.
  • Nationale Umsetzungsprogramme: Die Mitgliedstaaten werden verpflichtet, nationale Programme zu etablieren, welche die Anwendung dieser Beschaffungsanforderungen fördern und durch weitere Maßnahmen wie Preissetzung und Erstattungsregelungen flankieren.

Konsequenzen für die Vergabepraxis

Die geplante Verordnung führt zu einer deutlichen Erweiterung der vergaberechtlichen Anforderungen im Bereich der Arzneimittelbeschaffung. Künftig wird nicht nur die konsequente Anwendung von Qualitätskriterien erforderlich, sondern auch die stärkere Berücksichtigung europäischer Produktionsstandorte (soweit mit internationalen Verpflichtungen vereinbar). Die Kommission setzt ein klares Zeichen in Richtung Arzneimittel- Versorgungssicherheit.

Wie die Praxis aussehen wird bzw welche Änderungen in den Beschaffungsprozessen dadurch tatsächlich bewirkt werden, steht jedoch auf einem anderen Blatt: Die Arzneimittelbeschaffung erfolgt regelmäßig außerhalb regulärer Vergabeverfahren, zB über Erstattungsverträge zwischen Herstellern und dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger (als sog. “Direktverrechnungsverträge”). Die oftmals intransparente Medikamentenbeschaffung wurde auch schon in zwei Berichten des Rechnungshofes stark kritisiert. Ähnlich stellt sich die aktuelle Praxis in Deutschland dar, wo Arzneimittel oft im Open House Verfahren ohne Qualitätsbewertung beschafft werden.

Der (Entwurf des) “Critical Medicines Act” könnte jedenfalls ein guter Anlass für Auftraggeber sein, die aktuellen Beschaffungsprozesse zu überdenken und einen klaren Schritt Richtung europäischer Souveränität und Resilienz zu gehen (unter Förderung europäischer Wertschöpfung).

Ausblick: Vergaberecht im Wandel

Der “Critical Medicines Act” reiht sich in eine große Zahl von angekündigten Änderungen hinsichtlich der Beschaffung im EU-Raum wie etwa die Reform der EU-Vergaberichtlinien (siehe unseren Podcast), Gesetzesvorhaben zur Lieferkette und De-Regulierung, Netto-Null-Emissionen und generell ein stärkeres Selbstbewusstsein gegenüber Drittstaaten (siehe unseren Client Alert – Kein Vergaberechtsschutz für Drittstaatsangehörige) ein. Der Critical Medicines Act ist derzeit noch ein Entwurf am Anfang des Gesetzgebungsprozesses, der naturgemäß noch deutlich geändert werden kann. Wir halten Sie selbstverständlich weiterhin am Laufenden!

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