Kein Vergaberechtsschutz für Drittstaatsangehörige
Der EuGH setzt seine Judikaturlinie zur Ungleichbehandlung von Wirtschaftsteilnehmern aus Drittstaaten fort
Kein Recht auf vergaberechtlichen Schutz und Gleichbehandlung für Drittstaatsangehörige
Der EuGH hat mit seiner neuen Entscheidung betreffend den chinesischen Zughersteller CRRC (EuGH 13.3.2025, C-266/22 CRRC Qingdao Sifang ua) seine bisherige Rechtsprechung zu Drittstaatsangehörigen im Vergaberecht (EuGH 22.10.2024, Rs C-652/22 Kolin) fortgesetzt:
- Zugang zu EU-Vergabeverfahren und den EU-Vergaberechtsschutz-Instrumenten haben grundsätzlich nur EU-Unternehmen.
- Drittstaatsangehörige können diese Rechte nur dann in Anspruch nehmen, wenn zwischen dem betreffenden Sitzstaat und der EU ein entsprechendes Abkommen besteht (zum Beispiel das Government Procurement Agreement (GPA) der Welthandelsorganisation (WTO)).
- Ohne derartige Übereinkunft haben Drittstaatsangehörige, die sich an EU-Ausschreibungen beteiligen, kein Recht auf Gleichbehandlung und dürfen diskriminiert werden.
- Festlegungen zum Zugang zum EU-Beschaffungsmarkt fallen in die ausschließliche Kompetenz der EU. Mitgliedstaaten sind nicht berechtigt, selbst derartige Zugangsregelungen festzulegen bzw sind derartige Regelungen – wie in der gegenständlichen Entscheidung – unbeachtet zu lassen.
Im der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hat sich ein Konsortium, bestehend aus der chinesischen CRRC als federführendem Unternehmen und einem in der EU (Rumänien) ansässigen Unternehmen, um einen Auftrag für elektrische Triebwagenzüge beworben. Auf Basis einer nationalen Bestimmung wurde das Konsortium infolge der chinesischen “Drittstaatsbeteiligung” ausgeschlossen. Streitgegenständlich war unter anderem, ob die nationale Norm (auch zeitlich) anwendbar ist. Der EuGH hält deutlich fest, dass die nationale Norm – unabhängig von der zeitlichen Anwendbarkeit – nicht beachtlich ist, da die Regelung des Zugangs zum EU-Beschaffungsmarkt gemäß AEUV ausschließliche Zuständigkeit der EU im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik ist.
Ohne Übereinkunft entscheidet der Auftraggeber
Da es konkret mit China kein Übereinkommen zur wechselseitigen Teilnahme am Beschaffungsmarkt gibt (und die nationale Norm unanwendbar ist), obliegt es allein dem Auftraggeber, ob er Drittstaatsangehörige zu “seinem” Vergabeverfahren zulässt und wie er die “Behandlungsmodalitäten” regelt. Wenn Drittstaatsangehörige zu einem Vergabeverfahren zugelassen werden, dürfen sie folglich auch schlechter behandelt werden als EU-Bieter (der EuGH erwähnt eine mögliche “Bewertungsanpassung” aufgrund der Drittstaatsangehörigkeit).
Im gegenständlichen Fall liegt es daher im Ermessen des Auftraggebers, ob er das Konsortium ausschließt oder nicht. Dies ist insofern spannend, als zumindest ein EU-Unternehmen (der rumänische Konsortialpartner) am Konsortium beteiligt ist. Hier scheint der EuGH – ohne dies explizit anzusprechen – von einem “Mitgehangen-Mitgefangen” auszugehen: Wer sich mit einem Drittstaatsangehörigen in ein Konsortium begibt, “verliert” offenbar seine vergaberechtlichen Rechte (diese “Sippenhaftung” im Konsortium entspricht grundsätzlich der bisherigen EuGH-Rechtsprechung, wobei der EuGH hier in der Vergangenheit die Verhältnismäßigkeit des Ausschlusses geprüft hat).
Nicht gerechtfertigt ist ein Ausschluss uE bei bloßen Lieferanten aus Drittstaaten oder Drittstaats-Subunternehmern (wenn der Bieter EU-Unternehmer ist). Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang aber auf die Regelung für den Sektorenbereich für Erzeugnisse aus Drittländern (§ 303 BVergG bzw Art 85 der Richtlinie 2014/25/EU), die eine Ausscheidensmöglichkeit vorsieht, wenn der Anteil der aus Drittländern stammenden Waren mehr als 50% des Gesamtwertes der in dem Angebot enthaltenen Waren beträgt.
Konsequenzen?
Klar ist nach der EuGH-Rechtsprechung, dass sich Drittstaatsangehörige (ohne entsprechendes Abkommen) weder auf die Rechte aus der Vergaberichtlinie noch auf den vergaberechtlichen Rechtsschutz nach der Rechtsmittelrichtlinie berufen können. Der EuGH lässt jedoch (bewusst) offen, ob Drittstaatsangehörige der völligen Willkür des Auftraggebers ausgesetzt sind oder ob die “Behandlungsmodalitäten bestimmten Grundsätzen und Anforderungen, wie den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, entsprechen müssen“.
Wie der EuGH ausdrücklich festhält, obliegt diese Beurteilung den nationalen Gerichten bzw. dem nationalen Recht. Auch wenn die Vergabekontrollbehörden nicht zuständig sind bzw. kein vergaberechtsspezifischer Rechtsschutz besteht, so scheint dennoch Raum für anderweitige Ansprüche eröffnet (zB Schadenersatz aus culpa in contrahendo). Derartige Ansprüche wären dann, soweit sie nach nationalem Recht bestehen, vor nationalen Gerichten durchzusetzen.
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